Welche Bedeutung hat Erinnerungskultur für die Gegenwart?

Katrin Himmler im Gespräch mit Schülern über ihre Recherchen zu ihrer Familiengeschichte im Nationalsozialismus

In der Projektwoche des vergangenen Schuljahrs haben wir, zwölf Schülerinnen und Schüler der Jahrgänge zehn und zwölf, uns mit dem Thema „Rechtsextremismus früher und heute: Die Rolle der Erinnerungskultur“ auseinander gesetzt. Hierbei war es uns möglich, ein Gespräch mit Katrin Himmler, der Großnichte Heinrich Himmlers (Reichsführer der SS, ab 1943 auch Innenminister), zu führen.

Frau Himmler ist die Enkelin von Heinrich Himmlers jüngerem Bruder Ernst (1905-1945), der 1933 der SS beitrat. Er war der jüngste von drei Brüdern, und war neben seiner Stellung als Sturmbannführer in der SS auch als Direktor des Reichsrundfunks in Berlin tätig. Noch vor der Machtergreifung der Nazis trat er 1931 der NSDAP bei, war aber aufgrund seines jüngeren Alters, anders als seine beiden älteren Brüder Heinrich und Gebhard, nicht am Hitler-Ludendorff Putsch beteiligt. Er fiel als Mitglied des Volkssturms 1945 in Berlin.
Katrin Himmler ist Politikwissenschaftlerin und die erste in ihrer Familie, die sich grundlegend mit der Familiengeschichte auseinandergesetzt hat. Im Zuge dessen schrieb sie zwei Bücher, „Die Brüder Himmler: Eine Deutsche Familiengeschichte“ (2005) und „Himmler privat – Briefe eines Massenmörders“ (2014), aus welchen wir zur Vorbereitung auf das Treffen Ausschnitte lasen.

In einem Vortrag berichtete Frau Himmler uns über ihre Familiengeschichte und ihre Arbeit. Hierbei war ein besonders interessanter Aspekt, dass ihre Familie in ihrer Jugend es stets so darstellte, als sei Heinrich Himmler das schwarze Schaf der Familie gewesen und der Rest der Familie unbeteiligt geblieben — obwohl beide anderen Brüder bereits früh der NSDAP und auch der SS beitraten, und Gebhard Himmler auch Mitglied der Waffen SS war und am Hitler-Ludendorff Putsch teilnahm.
Aufgrund dieser Darstellung war es für Frau Himmler ein Schock, als sie in ihrer Studentenzeit im Berliner Archiv für ihren Vater die Akten ihres Großvaters einsah und dort seine Mitgliedschaft bei der SS dokumentiert fand. Dies wiederum war für sie aber auch der entscheidende Anstoß, sich tiefgründig mit der Geschichte der Familie zu beschäftigen – auch den Aspekten, die von ihren Verwandten totgeschwiegen wurden.

Des Weiteren befasste sich Frau Himmler in ihrem Vortrag mit der Frage, warum der Nationalsozialismus für die Familie Himmler so attraktiv war. Abschließend zog sie eine Reihe von Vergleichen zwischen dem Rechtsextremismus der NS Zeit und dem Rechtsextremismus heute, wobei sie besonders auf die Doppelstrategien rechtsextremer Gruppierungen einging (Terror, und gleichzeitig durch die Demokratie von innen heraus zerstören), die man sowohl damals als auch heute beobachten kann.
Der Vortrag war für uns alle sehr informativ, und es war spannend, das Geschehene, sowie die Entwicklungen der Gegenwart aus so einer einzigartigen Perspektive dargestellt zu bekommen.

Charlotte Doser