Mit ernsten Gesichtern umringen Mädchen in Schwarz ihre Klassenkameradin in rotem T-Shirt. Im Chor sprechen sie die immer wieder gleichen Sätze: „Das ist nicht meine Schuld! Das ist nicht nur mein Problem!“
Laut und immer lauter. Der Schlussakt des Kurses „Darstellendes Spiel“ der Q2 an der Ricarda-Huch-Schule geht unter die Haut. Das Publikum ist einen kleinen Moment betroffen, bevor Applaus aufbrandet. Die jungen Schauspieler bekommen stehende Ovationen.
Ein ganzes Schuljahr haben sich die 14 Mädchen und vier Jungs auf die Aufführung des Stücks „SPEAK“, eine Adaption des gleichnamigen amerikanischen Jugendromans von Laurie Halse Anderson, vorbereitet. In dem Stück thematisieren die Schüler Gewalt gegen Frauen, Vergewaltigung und Umgang mit Opfern.
Es geht aber auch darum, wie unsolidarisch Frauen manchmal miteinander sind. Mit ihrem ausdrucksvollen Spiel erzählen die Schüler die Geschichte von Melinda, die auf einer Party vom Star der Schule missbraucht wird und über das Geschehene zunächst konsequent schweigt. Die Anzeige bei der Polizei bringt dem Mädchen nur noch mehr Hass entgegen. Die Abiturienten glänzen nicht nur mit Tanz und chorischem Sprechen, sie haben in das Drehbuch auch eigene Erfahrungen mit Übergriffigkeiten eingearbeitet.
„Die Proben waren eine intensive Zeit und sie haben uns als Gruppe sehr zusammengeschweißt. Bei der Stückauswahl war uns wichtig, ein Thema mit gesellschaftlicher Relevanz auszuwählen“, erklärt Schauspielerin und Schülerin Emma Porsch. „Wir haben in zwei Stunden eigene Geschichten gesammelt. Und jede von uns Mädchen hat übergriffige Situationen erlebt. Wir waren uns einig: Manchmal ist es schwer, Courage zu haben und für sich einzustehen. Auch dazu soll das Stück ermutigen“, erläutert die Schülerin.
Lehrer und stellvertretender Schulleiter Rainer Tyszkiewicz war nach zwei Aufführungen an dem Dreieicher Gymnasium sehr stolz auf sein Ensemble: „Das ist eine tolle Gruppe, die sich unglaublich in das Stück und das so sensible Thema hineingearbeitet hat. Die Schauspieler haben an beiden Abenden die Aufführung so auf den Punkt gebracht, dass es großartig war, so etwas zu erleben“, lobt er seine Schüler.
Gerade bei dieser Thematik habe er als Lehrer eine große Verantwortung verspürt, seine auftretenden Schüler zu begleiten. „Umso wichtiger war es mir, dass sie sich selbst auf der Bühne wohlfühlen und für sich ausgestalten dürfen, wie sie die Szenen spielen möchten. Dieses Vertrauen in die Gruppe hat sich wirklich ausgezahlt, weil sie mit der Zeit über sich hinausgewachsen ist“, sagt Rainer Tyszkiewicz und freut sich jetzt über den großen Applaus des Publikums.
veröffentlicht von: Nicole Jost, Offenbach Post, 25.06.2025